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Futility – vergebliche Medizin?

“Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden; was dieser heute baut, reißt jener morgen ein…” schreibt im 17. Jahrhundert der Barockdichter Andreas Gryphius, und das liest sich genauso wie die Texte des Propheten Salomo aus dem Alten Testament über die VANITAS, die Vergeblichkeit: “Alles ist Eitelkeit”. Bei Salomo und im Barock ging es um die Vergänglichkeit des Irdischen und den Glauben, dass sowieso das Glück des Menschen erst im Jenseits zu finden sei. Im Barock erlebten die Menschen die Pestepidemie und den dreißigjährigen Krieg, im 20.Jahrhundert tobte der erste Weltkrieg und Paul Cezanne malte wieder das Vanitas – Motiv in seinem Stilleben mit Totenschädeln. Heute sagt man nicht mehr “Eitelkeit” in dieser Bedeutung, und auch ‘Vergeblichkeit’ wird im Deutschen selten benutzt. Man spricht eher von erfolglos, sinnlos, nicht lohnend, “ohne Sinn und Zweck”. In der Medizin hat sich zudem ‘frustran’ und ‘futile’ etabliert. Gibt es  futility – vergebliche Medizin?

Futility – vergebliche Medizin?

Dabei ist die Bedeutung von ‘frustran’ noch ziemlich klar und einfach. Ein  Wiederbelebungsversuch war dann frustran, wenn er nicht zum Erfolg führte. Es kann viele frustrane Versuche einer künstlichen Befruchtung geben, die zu immer mehr Wiederholungen führen. Hier sieht man schon, dass es einen großen Spielraum des Ermessens gibt. Will  sich ein Paar bei einer unter zehn Prozent liegenden Erfolgsaussicht einem so zermürbenden Prozess weiter aussetzen? Kann das trotzdem ‘sinvoll’ sein, also eben nicht ‘vergeblich’ in der Bedeutung von ‘sinnlos’?

Aber sonst? Kann ärztliche Bemühung um das Leben von Patient:innen überhaupt so verstanden werden? Ohne Sinn und Zweck sein, verlorene Liebesmüh? Der Begriff  ‘futile’ umfasst all dieses. “Die Natur macht nichts vergeblich” steht bei Aristoteles; aber ist das die ‘Natur’, die mit allen technischen Mitteln auf einer Intensivstation Lebensverlängerung anstrebt? Mit der langsam zuehmenden Erkenntnis, dass diese Lebensverlängerung auch  nur Leidensverlängerung bedeuten kann, begannen die Fragen bereits vor Jahrzehnten; 2021 rief dann die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften  SAMW zu einer breiten Diskussion über dieses Themas auf. Gleichzeitig erschien ein Positionspapier in Deutschland, welches die Frage der “Überversorgung” in der Intensivmedizin thematisiert: wie sei diese zu erkennen, zu benennen, zu vermeiden?

Übertherapie und Überversorgung

Unter Übertherapie werden medizinische Behandlungen verstanden, die für eine Heilung  keinen Zusatznutzen erbringen, aber auch nicht für die Linderung von Symptomen. Diese also unnötigen Maßnahmen sind dazu nicht risikofrei,  bedeuten daher nicht nur unnötige Kosten, sondern auch Schädigungen bis hin zu Todesfällen.

„Überversorgung“ dagegen ist der weitere Begriff aus der Gesundheitswissenschaft, dieser beinhaltet keine möglicherweise schädigenden, sondern unnötige und unwirtschaftliche Behandlungen. Dabei können viele andere Faktoren Einfluss haben:  gesellschaftliche Wertvorstellungen, Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen, medizintechnische Entwicklungen, rechtliche Regelungen, kommerzielle Interessen sowie die individuelle Arzt – Patienten-Beziehung; dazu kommen  die  oft  ganz falschen Vorstellungen und Erwartungen von Patient:innen und Angehörigen sowie Bevollmächtigten in Bezug auf die Intensivmedizin.

“Alles tun”?

Offensichtlich ist “alles tun” nicht unbedingt gleichzusetzen mit guter Gesundheitsverorgung. Natürlich soll man “alles” für mich oder meine Angehörigen tun! Angesichts aber der immer weiter wachsenden technischen Möglichkeiten einer “Lebensverlängerung”, die etwas verlängert, was für mich vielleicht nicht mehr “Leben” bedeutet, ohne Aussicht auf eine Besserung des Zustandes oder sogar Heilung, geht es doch eher darum, individuell eine Behandlung festzulegen, die meinem Willen  bestmöglich entspricht. Das ist am einfachsten, wenn eine Patientenverfügung vorliegt, die klar und eindeutig formuliert ist und auf die Situation zutrifft. Oft ist am Anfang bei einer Krankenhauseinweisung ja noch gar nicht klar, wie der Verlauf der Krankheit sein wird, und genau darum wird natürlich zunächst “alles” getan. Aber es kann der Punkt kommen, wo das medizinische Team absieht, dass “Futility” eingetreten ist. Dann muss entschieden werden, ab wann auf den Einsatz medizinischer Maßnahmen verzichtet werden sollte. Das nennt man ‘Änderung des Therapieziels’.

Gemeinsame Entscheidung

Eine Verpflichtung zur Behandlung besteht nur in Notfallsituationen. In jedem anderen Fall muss das medizinische Team zu Vorschlägen über medizinisch indizierte Maßnahmen kommen, über die dann mit den Patient:innen gemeinsam entschieden wird.  Dennoch wird dieser gemeinsame Entscheidungsprozess oft von Seiten der Ärzt:innen immer weiter verschoben. Dafür gibt es viele Gründe: Das Medizinstudium bildet zum “Retten” aus, die Grenzen der Medizin werden weniger aufgezeigt als ihre immer weiter steigenden Möglichkeiten. –  Nicht-Handeln wird als Versagen empfunden, als Verlieren in einem Kampf,  – ‘Weitermachen’ ist einfacher als die bewusste Konfrontation mit den Erwartungshaltungen und dem Druck von Patient:innen und Angehörigen. – Nicht zuletzt muss ein systemischer Druck erwähnt werden, ökonomische Gesichtspunkte in einem Krankenhaus, welches eine bestimmte Zahl von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen erreichen will.

Was sagt das Recht?

Bei immer weiter zunehmenden rechtlichen Regulierungen, die viele Grauzonen übrig lassen, fühlen sich Ärzt:innen zudem häufig in der Defensive und fürchten Klagen und rechtliche Folgen. Dabei ist heute ganz klar: wenn sich Ärzt:innen und Patient:innen oder deren Vertreter:innen über eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme einig sind, dann bestehen aus rechtlicher Sicht keine Probleme!

Futility in der Medizin

Die große Frage ist also: wann besteht futility? Nachdem trotz jahrzehntelanger Diskussion schon seit den 70er Jahren der Begriff weiterhin nicht ganz klar war, hat  2022 die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer eine hilfreiche Positionierung veröffentlicht, in der zwei Stufen von futility unterschieden werden: bei der einen kann die medizinische Maßnahme mit hundert Prozent Sicherheit nicht zum Erfolg führen. Es ist für jeden einsichtig, dass eine so sinnlose Maßnahme überhaupt nicht angeboten werden darf. Solche Situationen sind aber sehr selten. Die häufigen Probleme liegen in der zweiten Gruppe: es gibt viele medizinische Maßnahmen, die nach heutigem Wissen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Therapieerfolg führen. Es wird klar, dass hier eine Abwägung von Nutzen und Schaden individuell für alle Patient:innen stattfinden muss und dass es daher keine allgemein gültigen Regeln geben kann.

Wohl oder Wille?

Die Abwägung muss sich auf das individuelle Patientenwohl beziehen, und dieses “Wohl” definieren heute nach dem Gesetz nicht die Ärzt:innen, sondern nur die Patient:innen selbst. Der Patientenwille ist also das oberste Kriterium; es ist einfach zu hoffen, dass alle Menschen diesen Willen für sich selbst bestimmen und schriftlich niederlegen, diesen vor allem aber mit Vertrauenspersonen besprechen, für die sie dann frühzeitig eine Vorsorgevollmacht erstellen.

Medizinische und ärztliche Indikation

Wenn eine Maßnahme im Hinblick auf ein Weiterleben mit einer für die Patient:innen akzeptablen Lebensqualität ‘futile’, also aussichtslos ist, somit das medizinische Therapieziel geändert werden soll, heißt das aber nicht, dass ‘aufgehört, nichts mehr getan’ wird. Es heißt, dass von diesem Punkt an die Palliativmedizin übernehmen sollte. Denn selbstverständlich bleibt ‘Hilfe’ für die Patient:innen als oberstes ärztliches Ziel bestehen. Eine der wichtigsten Aufgaben dürfte also sein, den Patient:innen oder ihren Vertreter:innen in dieser Situation den Unterschied zwischen medizinischer und ärztlicher Indikation aufzuzeigen und so zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Nicht ‘keine Medizin’, sondern Palliativmedizin

Diese andere Therapie wird von der Palliativmedizin geleistet. Auf der site der Universitätsklinik Jena findet sich  eine schöne Beschreibung: “Palliativmedizin ist die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer fortschreitenden Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung […]. Palliativmedizin bejaht das Leben und akzeptiert das Sterben als normalen Prozess. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern. Ziel in der Palliativmedizin ist der Erhalt der bestmöglichen Lebensqualität bis zum Tod. Die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Krankheitsbeschwerden, psychischen, sozialen und spirituellen Problemen treten in den Vordergrund. Palliativmedizin ist interdisziplinär und multiprofessionell, d.h. die verschiedenen Berufsgruppen und Fachrichtungen in der medizinischen Versorgung arbeiten im Team miteinander.” Palliativmedizin umfasst die Behandlung und Betreuung nicht nur von von Patient:innen, sondern auch von deren Angehörigen.

Ärztliche und pflegerische Maßnahmen sind nicht vergeblich

Futility in der Medizin gibt es also so gesehen nicht: eine medizinische Maßnahme kann futile im Sinne von ‘nicht mehr nützlich’ im Hinblick auf Besserung und Heilung sein –  die ärztliche Maßnahme, Patient:innen Schmerzen oder Luftnot zu erleichtern, ist niemals futile im Sinne von ‘vergeblich’. Und da Patient:innen über die Maßnahmen entscheiden müssen, wäre es gut, wenn alle ihren Willen bilden und schon in jungen Jahren eine entsprechende Vorsorgevollmacht unterzeichnen.

 

Lebensqualität und Gesundheit

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Kinderwunsch – Gebärmuttertransplantation als Lösung?

Die Nachricht: In Deutschland wurden die ersten Babys nach Gebärmuttertransplantation geboren. Weltweit hat es bereits einige solcher Geburten  gegeben, Berichte existieren aus Schweden und Südamerika. Seit einigen Jahren schon wird  die  Transplantation  erfolgreich durchgeführt. Nach einer Wartezeit kann die  im Reagenzglas befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt werden.

Eine normale Transplantation?

Nicht ganz. Natürlich gelten auch hier die Transplantationserfahrungen wie bei anderen Organen und viele können einfach übernommen werden. Wenn die Gebärmutter zu Therapiezwecken eingesetzt würde, z.B.  bei einer Krebserkrankung, unterscheidet sie sich in nichts von jeder anderen Transplantation. Wird der Eingriff aber zum Zwecke der Erfüllung eines Kinderwunsches vorgenommen, dann sind hier nicht  zwei, sondern drei Personen betroffen:  Die Spenderin, die Empfängerin und das Kind. Dies allein gibt dem ganzen Vorgang schon eine Sonderstellung.  Der zweite Punkt ist, dass Transplantationen bisher hauptsächlich zur Therapie von (meist lebensbedrohlichen)  Erkrankungen eingesetzt werden. Hier kann kontrovers diskutiert werden, ob unerfüllter Kinderwunsch eine “Krankheit”ist, ein Leiden, welches einen solchen Eingriff mit allen Konsequenzen rechtfertigt.

Die “uterine Infertilität”

oder Unfruchtbarkeit aufgrund von in der Gebärmutter liegenden Ursachen betrifft in Deutschland ca 3-5 % der Frauen, etwa 8000 Mädchen werden aufgrund einer Entwicklungsstörung ohne Gebärmutter geboren. Rechnet man die erworbenen Störungen hinzu, soll es in Europa etwa 200 000 Frauen ohne funktionsfähige Gebärmutter geben.  Für diese Frauen blieb bisher nur die Adoption oder die ( in Deutschland aber verbotene) Leihmutterschaft als Alternative. Tatsächlich ist die Transplantation der Gebärmutter die erste Therapie bei dieser Form der Unfruchtbarkeit. Geht eine Frau diesen neuen Weg, ist der jedoch alles Andere als einfach:

Die Empfängerin

Zunächst handelt es sich um eine sehr lange Operation mit einer Narkosezeit bis zu 15 Stunden, Intensivüberwachung ist anschließend erforderlich.  –  Dann muss die Empfängerin Immunsuppressiva einnehmen, Medikamente zur Verhinderung einer Abstoßung des für den Körper fremden Organs. –  Wenn die Operation erfolgreich war, tritt nach etwa 2 Monaten die erste Regelblutung auf, und etwa 1 Jahr nach Operation kann die Einpflanzung des Embryos erfolgen. Dieser muss vorher durch In-Vitro-Fertilisation ( IVF = Befruchtung  im Reagenzglas) erzeugt worden sein. Meist musste sich die Frau dafür vorher einer Hormonbehandlung unterziehen. Die “Erfolgsrate” bei IVF, also die Geburt eines Kindes, liegt generell bei etwa 15-20 %, daher sind bei dieser Methode oft mehrere Versuche nötig. –  Ist auch dieser Teil letztlich erfolgreich,  muss ein Kaiserschnitt durchgeführt werden.  – Stillen ist nicht erlaubt wegen der Medikamenteneinnahme. Schließlich  muss, nach einer oder zwei auf diese Weise erfolgreichen Schwangerschaften, der eingesetzte Uterus durch eine erneute Operation  wieder entfernt werden, schon damit die Dauereinnahme der abstoßungsverhindernden Medikamente beendet werden kann. Es muss betont werden, dass der hier beschriebene lange, schwierige und auch risikoreiche  Weg  sich auf den besten Fall bezieht; denn es ist auch möglich, dass z.B. die Gebärmutter trotz der Medikamente in der Schwangerschaft abgestoßen wird,  was  je nach Zeitpunkt auch den Tod des Föten  bedeuten würde.

Die Spenderin

Wie bei anderen Organen auch, ist Lebend – oder Totenspende möglich. Bezüglich der Totenspende liegen bisher weltweit  kaum Erfahrungen vor. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/weltweit-erste-geburt-nach-uterus-transplantation-von-verstorbener-spenderin/ Es erfüllen auch sicher nur ganz wenige Organspenderinnen die nötigen Kriterien. Lebendspenden kamen bisher nicht nur von jungen Verwandten und Freundinnen, sondern auch von den Müttern der Frauen. Es scheint  so zu sein, dass auch eine ältere Gebärmutter ihre Funktion nach Transplantation wieder aufnimmt, was sich darin zeigt, dass bei der Empfängerin eine Regelblutung auftritt.  Auch die Spenderin muss sich einer sehr langen und aufwändigen Operation mit allen Risiken unterziehen, wobei sie aber keinerlei eigenen “Nutzen” von diesem Eingriff hat. Dagegen gibt es körperliche und psychische Risiken, wobei entsprechende Studien aber noch fehlen. Zu bedenken wäre auch ein möglicher Druck auf eine Spenderin von Seiten der Familie oder Gesellschaft. Aufgrund all dieser Probleme wird darüber nachgedacht, doch vermehrt Organe von toten Spendern zu benutzen, obschon die Lebendspende viele Vorteile hat. Eine kurze Zusammenstellung der juristischen und ethischen Problematik findet sich in der folgenden Vorlesung: https://www.ev-theol.uni-bonn.de/fakultaet/sozialethik/kress/vortraege/kress_uterustransplantation_freiburg_7.11.17.pdf

Das Kind

Kommt es nach erfolgreicher Transplantation und darauffolgender Implantation des Embryos zu einer Schwangerschaft, müssen auch für das Kind Risiken angesprochen werden, die noch nicht genügend erforscht sind. Zunächst ist bei Reproduktionstechnologien im Verhältnis zu einer natürlichen Schwangerschaft schon bei vorhandenem Uterus das Risiko von Geburtskomplikationen um über 30% erhöht. Bei der Schwangerschaft nach Uterustransplantation kommen weitere Risiken dazu. Eins scheint die andere Gefäßversorgung zu sein, die nach Einsetzen der neuen Gebärmutter besteht. Wesentlich ist auch, dass eine normale Geburt hier zu risikoreich ist, weshalb ein frühzeitiger Kaiserschnitt erfolgt; für das Kind bestehen somit alle bekannten Risiken einer Frühgeburt. Ein großes Problem ist auch die notwendige Medikamenteneinnahme der Schwangeren. Zwar gibt es Erfahrungswerte von Schwangeren mit anderen Transplantationen ( z.B. Niere); dort ist der Einsatz dieser Medikamente zugelassen. Es sind aber Risiken für das Kind beschrieben durch erhöhte Blutdruckwerte bei der Mutter, frühere Geburt und  vermindertes Gewicht, allerdings nicht für Fehlbildungen. Auch dass das Kind keine Muttermilch erhalten kann ist ein Minuspunkt. Wir müssen klar feststellen, dass wir für diesen speziellen Fall der Transplantation ( Uterus) in Bezug auf die Langzeitrisiken keinerlei Kenntnisse haben, weder in Bezug auf die Therapie mit abstoßungsverhindernden Medikamenten noch andere Auswirkungen betreffend, z.B. auf die Psyche der Beteiligten.

Neue Utopien

Inzwischen wird bereits darüber diskutiert, dass mit dieser Methode auch Transfrauen Kinder austragen könnten, ja, letztlich sogar Männer. Diese Fragen gehen nicht nur die Wissenschaft etwas an, sondern vor allem auch die Gesellschaft. Wie sind wir und wie wollen wir sein? Wenn Männer Kinder austragen, geht es nicht nur um das technisch Mögliche, sondern unsere gesamte Vorstellung von “Mutterschaft”. Wenn ein Kind in der Gebärmutter seiner Großmutter ausgetragen wird – was bedeutet das für unsere Begriffe, unser Rollenverständnis und für das Kind selbst? Grenzen bestehen heute nicht mehr von Seiten der Machbarkeit. Wenn wir aber eine neue medizinische Methode als therapeutische Maßnahme einführen wollen, geht es um die Legitimation, die Begründung für einen schwerwiegenden Eingriff, der zwei gesunde Personen und ein ungeborenes Kind vielen Risiken aussetzt. Wir werden uns sehr intensiv damit befassen müssen, denn die Situation ist ungeheuer komplex: unerfüllter Kinderwunsch wird oft als großes Leid erlebt, aber es handelt sich nicht um eine lebensbedrohliche Krankheit. Geht es also nur um Verbesserung der Lebensqualität? Hier würden wir klare Kriterien brauchen. Auch bei einer Gesichtstransplantation z.B. besteht kein lebensbedrohender Zustand. Wo aber, wie bei der Uterustransplantation, Andere geschädigt werden, haben wir jedenfalls gute Gründe, “deutlich zurückhaltender” zu sein, wie  Prof. Sigrid Graumann vom Deutschen Ethikrat es formulierte.

 

Literaturtipp

Giovanni Maio: Medizin ohne Maß? Vom Diktat des Machbaren zu einer Ethik der Besonnenheit

Giovanni Maio: Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin

Elisabeth Beck-Gernsheim: Die Reproduktionsmedizin und ihre Kinder

Angelika Walser: Ein Kind um jeden Preis?

 

C.Bozzaro, F.Krause und M.Weismann: https://www.springermedizin.de/uterustransplantation-ethisch-gerechtfertigt/16538020

 

 

 

 

 

 

Ist Alter eine Krankheit?

Versuchen Sie es doch einmal: Watte in die Ohren stecken, ein wenig Öl auf den Brillengläsern verreiben, Kniegelenke fest mit Binden umwickeln – es sind nur wenige Tipps, aber Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es geht darum, “normale” Fähigkeiten wie das Sehen, Hören, ungehinderte Laufen einzuschränken. Und jetzt gehen Sie bitte für eine festgesetzte Zeit Ihren “normalen” Tätigkeiten nach, nicht nur zu Hause. Gehen Sie z.B. einkaufen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie ungewöhnlich müde und gestresst sein und eher als geplant aufhören wollen. Was ist da passiert? Sie haben Alter simuliert.

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