Inhalte: Lebensqualität

Lebensdauer – Todeszeitpunkt

Ärzte und Ärztinnen kennen die Frage:  Wie lange habe ich noch? Oft wird die Frage nach Lebensdauer und Todeszeitpunkt sofort bei der Diagnose ‘Krebs’ gestellt, fast immer am Ende eines langen Leidens – Prozesses, wo es  darum  geht, welcher Behandlungsweg weiter eingeschlagen werden soll.

Lebensdauer – Todeszeitpunkt: sinnvolle Frage oder Neugierde?

Man kann die Frage aber auch ‘nur so’ stellen – das Internet macht es möglich. Tatsächlich kann, wer möchte, die verschiedensten sites finden; zum Teil sind diese bewusst als eine von mehr oder weniger spielerischen Grusel-Möglichkeiten angelegt, teilweise führen sie aber zu Sichtbarmachung der allgemeinen Lebenserwartung. Das kann sehr sinnvoll sein: hier wird zum Beispiel im Endeffekt aufgezeigt, wie sehr die allgemeine Lebenserwartung für Einzelne beinflussbar ist. So könnte eine solche site beispielsweise dazu führen, dass Menschen sehen, wieviel Lebensjahre sie gewinnen könnten, wenn sie lang Gewusstes in die Tat umsetzen würden: sich gesünder ernähren, nicht mehr rauchen, Alkoholkonsum einschränken, mehr Bewegung in ihren Alltag einbauen und soziale Beziehungen stärken.

Allgemeine Lebenserwartung und persönliche Lebensdauer

Es geht dabei aber immer um die allgemeine  Lebenserwartung. Die Antwort ist eine statistische und kann für eine Einzelperson nur aussagen: so wie du jetzt bist, und wenn alles so bleibt, wirst du in dieser Gesellschaft und in diesem Land etwa – sagen wir – bis zum 92. Lebensjahr leben. Diese Antworten der Statistiken können nicht den Einzelnen erfassen, nicht wissen und einrechnen, ob du mit nur 56 im nächsten Jahr einen tödlichen Unfall erleidest oder einen Herzinfarkt, oder ob du nach mehrfachen Infektionen vielleicht niereninsuffizient wirst und eine Dialyse benötigst oder auf eine Transplantation wartest uvm.

Ganz anders ist das bei den Fragen, die in der Medizin an Ärzt:innen gerichtet werden oder die Ärzt:innen und Pfleger:innen an die Medizin als Wissenschaft richten. Hier wird unter Vorlage aller bekannten medizinischen Daten gefragt, wie sich die ganz persönliche Lebenserwartung darstellt; die Frage also ist, wie lange der Mensch X mit den Untersuchungsdaten Y  noch leben wird. Kann man diese Frage heute beantworten? Um es gleich zu sagen: nein, wenn es um einen genauen Todeszeitpunkt geht. Allerdings werden die Annäherungswerte immer besser. Das bringt Chancen und Probleme mit sich.

In die Zukunft schauen: was können wir schon?

Die Frage ist so alt wie die Menschheit: Seit der Antike kennen wir die Orakel, Wahrsager hatten Zulauf bei Jahrmärkten, Tarotkarten sind weiterhin beliebt. In allen Fällen geht es um reine Auslegung. Heute gibt es zur Bestimmung von Lebensdauer – Todeszeitpunkt  Algorithmen, die für bestimmte Gruppen eine Art Standortbestimmung vornehmen können. Dazu gehört beispielsweise das für gebrechliche alte Menschen in häuslicher Pflege von Wissenschaftlern der Universität Ottawa konzipierte Projekt Respect. 

Dieses in Kanada entwickelte tool basiert auf mehreren Fragen und gibt am Ende eine Einschätzung, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit innerhalb von drei Monaten bis fünf Jahren der Tod eintritt. Solche Voraussagemodelle sind schon spezifischer, aber weit entfernt von einer genauen Voraussage. Perfektionierter wirken da die in Laboruntersuchungen feststellbaren  Biomarker.

14 solche Biomarker können die Wahrscheinlichkeit berechnen, innerhalb der nächsten 5-10 Jahre zu sterben. Über längere Zeiträume gibt es bisher kaum Möglichkeiten, besonders bei älteren Menschen. Aber über eine Kombination dieser Biomarker mit anderen Untersuchungsbefunden ist eine immer genauere Einschränkung zu erwarten.

Todeszeitpunkt – sollten wir nähere Bestimmung  anstreben?

Einiges spricht dafür:

  • Jede frühzeitige Erkenntnis über die individuelle Lebenserwartung erleichtert auch noch mögliche präventive Maßnahmen, dazu eine sinnvolle Therapieplanung.
  • Möglichst genaue Kenntnisse über das Sterberisiko können Ärzt:innen bei der Einschätzung auch des Risikos einer Operation helfen. Ist der/die zu Operierende zu gebrechlich für den Eingriff? Welches Positive ist für die Patient:innen im Ganzen von dem Eingriff zu erwarten?
  • Auf der Grundlage solcher Kenntnisse könnte leichter bei unheilbar Kranken über die am besten einzuschlagende Behandlung entschieden werden. Patient:innen könnten klarer entscheiden, ob sie beispielsweise lieber das Krankenhaus verlassen und zu Hause durch einen ambulanten Palliativdienst betreut werden wollen.

Und Vieles dagegen:

  • Eine solche statistische Risikoeinschätzung könnte einen zu hohen Stellenwert in der individuellen Medizin bekommen und es würden sich unzählige neue Fragen ergeben: dürften Krankenkassen fordern, dass Algorithmen über Operationen entscheiden, die für Patient:innen noch finanziert werden würden? Dürfte eine KI die Patient:innen in Gruppen einteilen, welche generell noch Leistungen (zum Beispiel Medikamente, Dialyse) erhalten und welche nicht? Wäre eine solche Einteilung nach individuellen Untersuchungsbefunden gerechter als eine Einteilung nach Alter, die ja von Gesundheitsökonomen als objektives und gerechtes Kriterium bezeichnet und in verschiedenen Ländern schon angewendet wird?
  • Wie weit könnten Ärzt:innen damit unter Druck gesetzt werden?  Würde von ihnen verlangt werden, dass sie im Gespräch zur gemeinsamen Entscheidungsfindung mit Patient:innen nur noch solche Therapien vorstellen, die aufgrund der Einteilung des Algorithmus ‘lohnend’ sind?
  • Ergebnisse von Vorhersagen können Patient:innen stark beinflussen. Das größte Problem ist die ‘selbsterfüllende Prophezeiung’. “Alles lohnt sich bei mir ja sowieso nicht” kann zu Depression und Selbstaufgabe führen, was für jeden Heilungsprozess sicher nicht förderlich ist.  An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass Patient:innen einerseits alles gemeinsam mit Ärzt:innen entscheiden sollen, aber andererseits ein ‘Recht auf Nichtwisssen’ haben. Wie und wodurch müssten alle Patient:innen  den Wunsch nach Nichtwissen festlegen und zur Kenntnis Aller bringen?

Lebensdauer – Todeszeitpunkt kennen: wollen wir das überhaupt?

In dieser Frage stecken zwei verschiedene Gedanken. Was wollen wir als Gesellschaft?  Und: Was will ich für mich? Die erste Frage verlangt eine breitere gesellschaftliche Diskussion als bisher geführt und zwar bald; denn natürlich hängt diese Frage auch zusammen mit  unserer demografischen Entwicklung, mit drohenden immer größeren Problemen bei der Finanzierung im Gesundheitswesen,  Standortbestimmungen der Krankenkassen, Leistungsmöglichkeiten der Krankenhäuser. Steigt der Kostendruck immer weiter, wäre gar die  Konsequenz möglich, dass solche immer besser werdenden Tests zur Bestimmung der Lebenserwartung zu einer Pflicht werden könnten? Der Deutsche Ethikrat hat schon 2017 in seiner Stellungnahme zu Big Data in der Gesundheit zumindest klargestellt, dass der Gebrauch von derartigen in der Zukunft möglichen Risikoprofilen für den Gebrauch der Gesetzlichen Krankenkassen verboten werden sollte, schon allein deshalb, weil ein solcher Gebrauch das Solidaritätsprinzip aushebeln würde.

Mit der zweiten Frage: “Was will ich für mich” sollte sich allerdings Jeder bewusst auseinandersetzen. Auch wenn es offensichtlich einzelne Menschen gibt, die ein ewiges Weiterleben für erstrebenswert halten, (Stichwort beispielsweise Kryokonservierung) trifft das wohl für die Mehrheit nicht zu. Ob notgedrungen oder aus fundierten Überzeugungen bejahen Menschen die Tatsache, dass wir sterben und dass neue Generationen nach uns leben werden. Nachdenken müssen wir viel intensiver über die Frage, was jeder Einzelne für sich für Lebensqualität hält; darüber, was für mich selbst ‘sinnvoll’ erscheint, dass ich vielleicht weniger Angst vor dem Tod habe als vor einem für mich persönlich nicht mehr sinnvollen Leben und vor allem vor einem Leben in Schmerzen und Not. In diesem Zusammenhang müssen wir, jeder Einzelne, tatsächlich auch mehr über ‘sinnvolle Medizin‘ nachdenken und darüber, dass es ‘vergebliche Medizin’ nicht gibt. Darüber hinaus darüber, ob  wir über alles, was man untersuchen kann, inklusive Voraussagen, informiert werden wollen oder nicht, und wir müssen solche Entscheidungen dann auch kommunizieren. Sprechen mit Menschen unseres Vertrauens, schriftlich aufnehmen in unsere Vorsorgevollmacht.

 

Dank für Bild an Lucas Pezeta auf Pexels

 

Literaturtipps

Thomas Ramge: Wollt Ihr ewig leben?

Thomas Ramge: Augmented Intelligence. Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden

Gerd Gigerenzer: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft

 

Futility – vergebliche Medizin?

“Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden; was dieser heute baut, reißt jener morgen ein…” schreibt im 17. Jahrhundert der Barockdichter Andreas Gryphius, und das liest sich genauso wie die Texte des Propheten Salomo aus dem Alten Testament über die VANITAS, die Vergeblichkeit: “Alles ist Eitelkeit”. Bei Salomo und im Barock ging es um die Vergänglichkeit des Irdischen und den Glauben, dass sowieso das Glück des Menschen erst im Jenseits zu finden sei. Im Barock erlebten die Menschen die Pestepidemie und den dreißigjährigen Krieg, im 20.Jahrhundert tobte der erste Weltkrieg und Paul Cezanne malte wieder das Vanitas – Motiv in seinem Stilleben mit Totenschädeln. Heute sagt man nicht mehr “Eitelkeit” in dieser Bedeutung, und auch ‘Vergeblichkeit’ wird im Deutschen selten benutzt. Man spricht eher von erfolglos, sinnlos, nicht lohnend, “ohne Sinn und Zweck”. In der Medizin hat sich zudem ‘frustran’ und ‘futile’ etabliert. Gibt es  futility – vergebliche Medizin?

Futility – vergebliche Medizin?

Dabei ist die Bedeutung von ‘frustran’ noch ziemlich klar und einfach. Ein  Wiederbelebungsversuch war dann frustran, wenn er nicht zum Erfolg führte. Es kann viele frustrane Versuche einer künstlichen Befruchtung geben, die zu immer mehr Wiederholungen führen. Hier sieht man schon, dass es einen großen Spielraum des Ermessens gibt. Will  sich ein Paar bei einer unter zehn Prozent liegenden Erfolgsaussicht einem so zermürbenden Prozess weiter aussetzen? Kann das trotzdem ‘sinvoll’ sein, also eben nicht ‘vergeblich’ in der Bedeutung von ‘sinnlos’?

Aber sonst? Kann ärztliche Bemühung um das Leben von Patient:innen überhaupt so verstanden werden? Ohne Sinn und Zweck sein, verlorene Liebesmüh? Der Begriff  ‘futile’ umfasst all dieses. “Die Natur macht nichts vergeblich” steht bei Aristoteles; aber ist das die ‘Natur’, die mit allen technischen Mitteln auf einer Intensivstation Lebensverlängerung anstrebt? Mit der langsam zuehmenden Erkenntnis, dass diese Lebensverlängerung auch  nur Leidensverlängerung bedeuten kann, begannen die Fragen bereits vor Jahrzehnten; 2021 rief dann die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften  SAMW zu einer breiten Diskussion über dieses Themas auf. Gleichzeitig erschien ein Positionspapier in Deutschland, welches die Frage der “Überversorgung” in der Intensivmedizin thematisiert: wie sei diese zu erkennen, zu benennen, zu vermeiden?

Übertherapie und Überversorgung

Unter Übertherapie werden medizinische Behandlungen verstanden, die für eine Heilung  keinen Zusatznutzen erbringen, aber auch nicht für die Linderung von Symptomen. Diese also unnötigen Maßnahmen sind dazu nicht risikofrei,  bedeuten daher nicht nur unnötige Kosten, sondern auch Schädigungen bis hin zu Todesfällen.

„Überversorgung“ dagegen ist der weitere Begriff aus der Gesundheitswissenschaft, dieser beinhaltet keine möglicherweise schädigenden, sondern unnötige und unwirtschaftliche Behandlungen. Dabei können viele andere Faktoren Einfluss haben:  gesellschaftliche Wertvorstellungen, Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen, medizintechnische Entwicklungen, rechtliche Regelungen, kommerzielle Interessen sowie die individuelle Arzt – Patienten-Beziehung; dazu kommen  die  oft  ganz falschen Vorstellungen und Erwartungen von Patient:innen und Angehörigen sowie Bevollmächtigten in Bezug auf die Intensivmedizin.

“Alles tun”?

Offensichtlich ist “alles tun” nicht unbedingt gleichzusetzen mit guter Gesundheitsverorgung. Natürlich soll man “alles” für mich oder meine Angehörigen tun! Angesichts aber der immer weiter wachsenden technischen Möglichkeiten einer “Lebensverlängerung”, die etwas verlängert, was für mich vielleicht nicht mehr “Leben” bedeutet, ohne Aussicht auf eine Besserung des Zustandes oder sogar Heilung, geht es doch eher darum, individuell eine Behandlung festzulegen, die meinem Willen  bestmöglich entspricht. Das ist am einfachsten, wenn eine Patientenverfügung vorliegt, die klar und eindeutig formuliert ist und auf die Situation zutrifft. Oft ist am Anfang bei einer Krankenhauseinweisung ja noch gar nicht klar, wie der Verlauf der Krankheit sein wird, und genau darum wird natürlich zunächst “alles” getan. Aber es kann der Punkt kommen, wo das medizinische Team absieht, dass “Futility” eingetreten ist. Dann muss entschieden werden, ab wann auf den Einsatz medizinischer Maßnahmen verzichtet werden sollte. Das nennt man ‘Änderung des Therapieziels’.

Gemeinsame Entscheidung

Eine Verpflichtung zur Behandlung besteht nur in Notfallsituationen. In jedem anderen Fall muss das medizinische Team zu Vorschlägen über medizinisch indizierte Maßnahmen kommen, über die dann mit den Patient:innen gemeinsam entschieden wird.  Dennoch wird dieser gemeinsame Entscheidungsprozess oft von Seiten der Ärzt:innen immer weiter verschoben. Dafür gibt es viele Gründe: Das Medizinstudium bildet zum “Retten” aus, die Grenzen der Medizin werden weniger aufgezeigt als ihre immer weiter steigenden Möglichkeiten. –  Nicht-Handeln wird als Versagen empfunden, als Verlieren in einem Kampf,  – ‘Weitermachen’ ist einfacher als die bewusste Konfrontation mit den Erwartungshaltungen und dem Druck von Patient:innen und Angehörigen. – Nicht zuletzt muss ein systemischer Druck erwähnt werden, ökonomische Gesichtspunkte in einem Krankenhaus, welches eine bestimmte Zahl von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen erreichen will.

Was sagt das Recht?

Bei immer weiter zunehmenden rechtlichen Regulierungen, die viele Grauzonen übrig lassen, fühlen sich Ärzt:innen zudem häufig in der Defensive und fürchten Klagen und rechtliche Folgen. Dabei ist heute ganz klar: wenn sich Ärzt:innen und Patient:innen oder deren Vertreter:innen über eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme einig sind, dann bestehen aus rechtlicher Sicht keine Probleme!

Futility in der Medizin

Die große Frage ist also: wann besteht futility? Nachdem trotz jahrzehntelanger Diskussion schon seit den 70er Jahren der Begriff weiterhin nicht ganz klar war, hat  2022 die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer eine hilfreiche Positionierung veröffentlicht, in der zwei Stufen von futility unterschieden werden: bei der einen kann die medizinische Maßnahme mit hundert Prozent Sicherheit nicht zum Erfolg führen. Es ist für jeden einsichtig, dass eine so sinnlose Maßnahme überhaupt nicht angeboten werden darf. Solche Situationen sind aber sehr selten. Die häufigen Probleme liegen in der zweiten Gruppe: es gibt viele medizinische Maßnahmen, die nach heutigem Wissen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einem Therapieerfolg führen. Es wird klar, dass hier eine Abwägung von Nutzen und Schaden individuell für alle Patient:innen stattfinden muss und dass es daher keine allgemein gültigen Regeln geben kann.

Wohl oder Wille?

Die Abwägung muss sich auf das individuelle Patientenwohl beziehen, und dieses “Wohl” definieren heute nach dem Gesetz nicht die Ärzt:innen, sondern nur die Patient:innen selbst. Der Patientenwille ist also das oberste Kriterium; es ist einfach zu hoffen, dass alle Menschen diesen Willen für sich selbst bestimmen und schriftlich niederlegen, diesen vor allem aber mit Vertrauenspersonen besprechen, für die sie dann frühzeitig eine Vorsorgevollmacht erstellen.

Medizinische und ärztliche Indikation

Wenn eine Maßnahme im Hinblick auf ein Weiterleben mit einer für die Patient:innen akzeptablen Lebensqualität ‘futile’, also aussichtslos ist, somit das medizinische Therapieziel geändert werden soll, heißt das aber nicht, dass ‘aufgehört, nichts mehr getan’ wird. Es heißt, dass von diesem Punkt an die Palliativmedizin übernehmen sollte. Denn selbstverständlich bleibt ‘Hilfe’ für die Patient:innen als oberstes ärztliches Ziel bestehen. Eine der wichtigsten Aufgaben dürfte also sein, den Patient:innen oder ihren Vertreter:innen in dieser Situation den Unterschied zwischen medizinischer und ärztlicher Indikation aufzuzeigen und so zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Nicht ‘keine Medizin’, sondern Palliativmedizin

Diese andere Therapie wird von der Palliativmedizin geleistet. Auf der site der Universitätsklinik Jena findet sich  eine schöne Beschreibung: “Palliativmedizin ist die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer fortschreitenden Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung […]. Palliativmedizin bejaht das Leben und akzeptiert das Sterben als normalen Prozess. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern. Ziel in der Palliativmedizin ist der Erhalt der bestmöglichen Lebensqualität bis zum Tod. Die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Krankheitsbeschwerden, psychischen, sozialen und spirituellen Problemen treten in den Vordergrund. Palliativmedizin ist interdisziplinär und multiprofessionell, d.h. die verschiedenen Berufsgruppen und Fachrichtungen in der medizinischen Versorgung arbeiten im Team miteinander.” Palliativmedizin umfasst die Behandlung und Betreuung nicht nur von von Patient:innen, sondern auch von deren Angehörigen.

Ärztliche und pflegerische Maßnahmen sind nicht vergeblich

Futility in der Medizin gibt es also so gesehen nicht: eine medizinische Maßnahme kann futile im Sinne von ‘nicht mehr nützlich’ im Hinblick auf Besserung und Heilung sein –  die ärztliche Maßnahme, Patient:innen Schmerzen oder Luftnot zu erleichtern, ist niemals futile im Sinne von ‘vergeblich’. Und da Patient:innen über die Maßnahmen entscheiden müssen, wäre es gut, wenn alle ihren Willen bilden und schon in jungen Jahren eine entsprechende Vorsorgevollmacht unterzeichnen.

 

Behinderung – Teilhabe – Partizipation

“Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden”, so klar sagt das Artikel 3 des Grundgesetzes. Behinderung muss mit Teilhabe und Partizipation zusammen gedacht werden. Teilhabe, Inklusion, Partizipation sind mehr als schöne Schlagworte. Die Fragen sind:  wer ist eigentlich “behindert”? Was geht uns das alle an? Und wie gehen wir damit um?

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Lebensqualität und Gesundheit

Würde ein Sechser im Lotto Ihre Lebensqualität erhöhen? Nicht unbedingt! Für Viele ist es ein schönes Gefühl, das zu denken: Freiheit hat etwas mit finanzieller Sicherheit zu tun. Was ist aber, wenn Sie zum Beispiel an chronischen Schmerzen leiden und nur einen Wunsch haben: der Schmerz möge weggehen! Wenn nur das allein Einfluss auf Ihre Lebensqualität haben könnte? …mehr lesen