Klimakatastrophe: Bedrohung für Gesundheit
 
							Der Klimawandel, besser: die Klimakatastrophe bestimmt unsere Zeit. Geschätzt 30-50 wissenschaftliche Artikel erscheinen täglich weltweit in Fachzeitschriften; es gibt einen breiten Konsens in der Wissenschaft, dass der Mensch die Hauptursache ist. Dennoch: wie weit die unmittelbaren Folgen auch für unsere Gesundheit gehen, für die öffentliche sowie die jedes Einzelnen, scheint uns nicht wirklich bewusst zu sein – auch wenn die WHO die Klimakrise bereits als Gesundheitskrise beschreibt und der Lancet Countdown Report 2024 von den verzögerten Maßnahmen als “rekordverdächtiges Bedrohungsszenario” spricht.
Klimakatastrophe: Direkte und indirekte Bedrohung für Gesundheit
An direkten Auswirkungen der Klimakatastrophe sind vor allem unmittelbare physische Schäden durch extreme Wetterereignisse bzw. hitzebedingte Erkrankungen und Todesfälle zu verzeichnen. Bei den indirekten sehr komplexen Auswirkungen aber geht es um mehr: Verschlechterung von Luft- und Wasserqualität, Störungen der Nahrungsmittelsysteme, veränderte Übertragungsmuster von Infektionskrankheiten und nicht zuletzt um die erheblichen psychischen Belastungen.
Konzepte für Klimakatastrophe und Gesundheit
Es fehlt nicht an Konzepten; Planetary Health befasst sich schon seit Jahren mit den Zusammenhängen zwischen menschlicher Gesundheit und den natürlichen sowie politischen, ökonomischen und sozialen Systemen, von denen die Existenz der menschlichen Zivilisation abhängt. Ein wissenschaftliches Konzept also, welches beschreibt, wie die Gesundheit der Menschen von der Gesundheit der Ökosysteme abhängt: nur wenn die Erde gesund ist, kann auch der Mensch gesund sein. Die Allianz KLUG arbeitet seit 2017 in dieser Richtung.
“One Health is an integrated, unifying approach that aims to sustainably balance and optimize the health of people, animals and ecosystems”, so die Definition der WHO. Auch die Bundesregierung ordnete den One Health Ansatz als wegweisendes Konzept ein. Der Deutsche Ethikrat beschäftigte sich auf seiner Jahrestagung 2023 eingehend mit diesem Ansatz.
Dabei sollen als Ziele nicht nur die Intergenerationale (jetzige und zukünftige Generationen mit gleichen Rechten auf gutes Leben), sondern auch Intragenerationale Gerechtigkeit (innerhalb von verschiedenen Ländern und zwischen Ländern) berücksichtigt werden.
Ein Beispiel ist die Malaria-Bekämpfung. Malaria, von der Anopheles-Mücke übertragene Erkrankung, erfordert einen One-Health-Ansatz, der die Ökologie der Mücken und ihre Interaktion mit dem Menschen genauso betrifft wie die Umweltbedingungen, die zur Ausbreitung der Krankheit beitragen.
Nachhaltig kann die Zukunft der menschlichen Gesundheit jedenfalls nur sein, wenn Verantwortung gegenüber Um‐ und Mitwelt besteht.
Wie wirkt eine Naturkatastrophe auf unsere Gesundheit?
Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten thematisieren gerade Folgen und mögliche Prävention bei Naturkatastrophen. Klar ist schon lange, dass der Klimawandel langfristig zu Hunger, Gewalt und einem generell erhöhten Krankheitsrisiko führt und dass dabei besonders die schwächsten und ärmsten Menschen am stärksten betroffen sind. Neu sind die spezifischen Daten . So hielt z.B. Übersterblichkeit nach Tropenstürmen in betroffeneren Gegenden bis zu 15 Jahre an und war hauptsächlich auf Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Katastrophen sind tatsächlich ein zentraler Faktor für Entstehung und akute Manifestation von kardiovaskulären Krankheiten, wie Lungenembolien, Hypertonie, Schlaganfall und Herzinfarkte. Auch das als “Broken Heart Syndrom” bekannte Tsakotsubo- Syndrom trat in Japan nach schweren Erdbeben besonders häufig auf.
Sofortige und spätere Folgen
Abgesehen von den akuten Reaktionen wissen wir heute, dass auch im Langzeitverlauf über mehrere Monate nach der Katastrophe durch Stress ein erhöhtes Risiko für Angina pectoris, Herzrhythmusstörungen, plötzlichen Herztod und Herzinsuffizienz besteht. Während in den ersten 3 Tagen nach der Katastrophe Todesfälle vor allem auf direkte gesundheitliche Folgen, wie Verletzungen oder Ertrinken, zurückzuführen sind, nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere katastrophenbedingte Krankheiten, wie z.B. Infektionen oder psychische Erkrankungen, erst nach einigen Tagen und in den folgenden Wochen und Monaten weiter zu. Auch eine starke Zunahme von Posttraumatischen Belastungsstörungen nach schweren Hurrikans ist bekannt; Stress, Schlaflosigkeit und ungesunde Ernährung sind hier zu nennen, aber auch schon durch beispielsweise unregelmäßige Medikamenten-Einnahme wird das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Blutdruckentgleisungen erhöht.
Klimakatastrophe – ganzheitlicher Ansatz und Präventionskonzepte
Offensichtlich stellen Naturkatastrophen eine zunehmende ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar, wobei es jetzt viele Hinweise besonders auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt. Prävention bezieht sich auf weite Felder: beginnend mit Ausrüstungen, Notunterkünften, ausreichender medizinischer Versorgung; weiter geht es um gesicherte Möglichkeiten für ausreichenden Schlaf und Ernährung für alle Menschen. Die Bedrohung durch Wasserknapheit und sich verschlechternde Wasserqualität betrifft jeden überall gleich und erfordert einen neuen ganzheitlichen Ansatz im Wassermanagement. Und ganz besonders hier zeigt sich die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels weg von unseren reaktiven Behandlungskonzepten hin zu proaktiver Prävention.
Und die Kosten?
Last not least sind die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakatastrophe mit erheblichen Kosten verbunden. Das Weltwirtschaftsforum schätzte, dass bis 2025 zusätzlich 14,5 Todesfälle und wirtschaftliche Verluste von 12,5 Billionen US.-Dollar durch die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu erwarten sind. Dass auch der Gesundheitssektor, der einerseits mehr “Klimapatienten” zu versorgen hat, selbst erheblich zur Klimakrise beiträgt (Stichwort Lieferketten für Medizin/Pharma-Produkte ) zeigt, wie dringend andere Infrastrukturen erarbeitet werden müssten.
Klimakatastrophe angehen: kein schöner Traum – bittere Notwendigkeit!
Ein uferloses Thema, scheint es, und genau deshalb ein nicht zu lösendes Problem? Aber: einen Blog schreiben heißt nicht, als Experte zu sprechen. Ziel ist nur: einen kleinen Beitrag zu leisten zur Verbreitung von etwas, was man als richtig erkannt hat. Bei diesem Thema, welches mich lange umtreibt, kann ich nur feststellen: Daten liegen vor und werden mehr jeden Tag – Expertenwissen ist da, außer den kurz angerissenen Themen beschäftigen sich auch Philosophie und Medizinethik seit langem. – In der Medizin selbst ist man sich der Problematik durchaus bewusst. Warum ist dann Umsetzung so schleppend und immer wieder verzögert? Hier muss wohl der politische Wille angesprochen werden. Ist vielleicht einfach noch viel mehr Druck von unten erforderlich? Druck von jedem Einzelnen, der erkannt hat, wie sehr seine eigene Gesundheit (und letztlich Existenz) hier bedroht ist? Druck, der nicht von selbst alle Probleme löst, aber vielleicht unübersehbar wird und dazu führt, dass amtierende Politiker in dem Wust aller zu bearbeitenden Themenfelder neue andere Prioritäten setzen? Die Priorität Menschengesundheit und menschliche Existenz auf diesem Planeten endlich als erste begreifen lernen?
Literaturtipp
Dieter Birnbacher: Klimaethik
Hans Peter Hutter: Gesundheit in der Klimakrise
Danke für Bild an Peter Schmidt auf Pixabay

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